"Gesunde Leber"

von Christina Wiedemann

Experteninterview mit Dr. Claudia Thiel


Frau Dr. Thiel, welche Ernährungsgewohnheiten belasten die Leber?
C. Thiel: Entgegen der landläufigen Meinung, zu viel Fett im Essen sei der Übeltäter, ist vielmehr die moderne Lebensweise mit einer übermäßigen Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von Zucker, Brot, Nudeln, Kartoffeln und Reis inzwischen die Hauptursache für eine Fettleber. Noch vor 50 Jahren war die Ursache einer ernährungsbedingten Lebererkrankung meist übermäßiger Alkoholkonsum. Damals kannten wir vor allem die alkoholische Fettleber, die mit der Zeit zu einer Leberzirrhose führt. Auch heute noch spielt Alkohol eine erhebliche Rolle bei der Belastung der Leber, ist aber im Vergleich zu unserem eher bewegungsarmen Lebensstil mit zu vielen zuckerhaltigen Getränken und viel zu vielen Süßigkeiten, Backwaren und Knabbereien in den Hintergrund getreten. Was die Muskulatur nicht direkt verbrennt, muss die Leber verarbeiten. Damit ist sie manchmal schon überfordert. Dieses Krankheitsbild nannten wir bis vor kurzem die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung. Neuerdings setzt sich die Bezeichnung metabolisch assoziierte Fettlebererkrankung durch, weil Alkohol neben den anderen Kohlenhydraten meist auch eine gewisse Rolle spielt.

Gibt es weitere Substanzen, die das Risiko einer Fettleber erhöhen?
C. Thiel: Neben Kohlenhydraten und Alkohol spielen natürlich auch Medikamente eine Rolle. Wenn Sie in die Packungsbeilagen Ihrer Tabletten schauen, ist fast immer als Warnhinweis die Leberschädigung erwähnt. Besonders belastend für die Leber sind Schmerzmedikamente, Antibiotika, Antibabypillen, Antidepressiva und Chemotherapeutika. Aber nahezu jedes Medikament belastet die Leber, weil diese das zentrale Organ der Entgiftung ist. Und weil das so ist, hält sie eine ganze Menge aus und kann sich glücklicherweise bei Schädigung sehr gut regenerieren.

Welche Symptome deuten darauf hin, dass die Leber überlastet ist?
C. Thiel: Die Leber leidet lange Zeit still. Anfangs verspüren die Betroffenen eine allgemeine Müdigkeit und Leistungsschwäche. Viele fühlen sich depressiv und antriebsschwach. Kopf- und Gliederschmerzen können auftreten. Meist führt das dann dazu, dass die Menschen Tabletten schlucken und noch mehr Lust auf Zucker und Nudeln bekommen, weil diese schnellen Kohlenhydrate dem Gehirn kurzfristig Energie geben. Und nun stecken sie in einem Teufelskreis, aus dem schwer wieder herauszukommen ist. Dabei bleiben die Leberwerte lange Zeit noch normal. Zuerst steigen der Blutdruck, die Fettwerte und die Blutzuckerwerte an. Erst bei einer fortgeschrittenen Lebererkrankung schwillt die Leber an und man empfindet ein Druckgefühl im rechten Oberbauch.

Wie kann der Hausarzt feststellen, ob die Leber verfettet ist?
C. Thiel: Die beste Methode, frühzeitig eine Fettleber zu entdecken, ist der Ultraschall. Die meisten Hausärzte können das problemlos machen. So sieht auch der Betroffene selbst das typische helle Bild der Fettleber, lange bevor sich die Leberwerte verändern.

Welche klassischen Blutwerte können Aufschluss darüber geben, ob eine Fettleber vorliegt?
C. Thiel: Die Bestimmung der Leberwerte in Form von Transaminasen, GOT und GPT, sowie der Gamma-Glutamyltranspeptidase GGT zeigt an, ob die Leber leidet oder sogar eine Entzündung der Leber vorliegt. Dies ist bei erhöhten Werten der Fall, was allerdings noch nichts über deren Ursache aussagt. Es können auch eine Virusinfektion, Autoimmunerkrankung oder eine toxische Ursache zugrunde liegen. Absolut sicher kann die Diagnose einer Fettleber nur mittels einer Gewebeprobe gestellt werden. Da dies aber eine riskante diagnostische Methode ist, die nicht routinemäßig eingesetzt werden kann, hat eine italienische Forschergruppe den sehr hilfreichen Fettleber-Index FLI entwickelt. Neben der GGT und den freien Fetten, Triglyceriden, gemessen in nüchternem Zustand, gehen in diese komplizierte Formel auch individuelle Körpermaße wie Größe, Gewicht und Bauchumfang mit ein. Damit erhalte ich ganz einfach und schnell einen Wert, der mir die Wahrscheinlichkeit einer Fettleber anzeigt. Bei einem Wert über 60 ist die Fettleber wahrscheinlich. Ein Wert unter 30 schließt eine Fettleber weitgehend aus. Meine Patienten haben meistens Werte über 90.

Ist es darüber hinaus sinnvoll, die Blutzuckerwerte zu messen?
C. Thiel: Auf jeden Fall, denn die Fettleber ist Grundlage für Diabetes Typ 2. Die übermäßige Zufuhr von Kohlenhydraten überlastet den Stoffwechsel dermaßen, dass das zuckerverwertende Hormon, das Insulin, nicht mehr korrekt wirkt. Dabei werden vermehrt freie Fettsäuren gebildet, die nicht mehr in den dafür vorgesehenen Fettzellen des Unterhautfettgewebes, also dem Speck, gespeichert werden können. So wird die Leber überschwemmt mit Fett und opfert sich, bevor die anderen inneren Organe wie Bauchspeicheldrüse, Herz und Nieren leiden. Diesen Vorgang bezeichnet man als Insulinresistenz. Mit einer Messung des Blutzuckers, nüchtern oder noch besser nach einer zuckerreichen Mahlzeit, kann diese Stoffwechselstörung frühzeitig erkannt werden. Hilfreich ist auch eine gleichzeitige Blutzucker- und Insulinbestimmung auf nüchternen Magen. Damit decken wir die Insulinresistenz schon auf, bevor die anderen Laborwerte auffällig werden.

Darf man trotz der Diagnose nicht­ alkoholische Fettleber noch ein Gläschen Wein oder Bier trinken?
C.Thiel: Alkohol ist ein Lebergift. Und die meisten alkoholischen Getränke enthalten zudem auch noch Zucker. Wer eine kranke Leber hat, sollte aber auf alles, was die Leber belastet, konsequent verzichten und zuerst einmal seine Fettleber heilen. Das erreicht man mit einer konsequenten Ernährungsumstellung auf eine kohlenhydratarme Kost. Sobald die Leber wieder gesund ist, ist natürlich auch wieder ein genussvolles Gläschen drin. Eine gesunde Leber steckt Alkohol in Maßen ohne Probleme weg.

Kann die Einnahme von hoch dosierten Omega­3­Fettsäuren die Fettleber unterstützen?
C Thiel: Seit langem ist bekannt, dass Omega3-Fettsäuren dosisabhängig die Konzentration an freien Fettsäuren im Blut senken. Zusätzlich wirken sie im ganzen Körper entzündungshemmend, unterstützen die Entfettung der Leber und tragen somit zu einem gesunden Leberstoffwechsel bei. Eine Fettleberentzündung wird dadurch günstig beeinflusst, weswegen ich meinen Patienten die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren in der Regel mit einer Dosis von 2000 Milligramm EPA+DHA, also Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure, täglich empfehle.

Gibt es gegen die nicht­alkoholische Fettleber Medikamente?
C. Thiel: Es gibt bisher keine Medikamente, die zur Behandlung der Fettleber zugelassen sind. Einige Medikamente gegen Diabetes scheinen eine positive Wirkung auf den Leberstoffwechsel zu haben. Darauf würde ich mich aber nicht verlassen. Wenn ich nicht die Ursache, nämlich die Ernährung, angehe, machen Tabletten die Leber auch nicht gesund.

Wie kann man die Fettleber beim Regenerieren unterstützen?
C. Thiel: Als erstes braucht die Leber eine gesunde Ernährung mit einer guten Nährstoffversorgung bei eher geringer Energiezufuhr. Vor allem müssen die Kohlenhydrate begrenzt werden. Eine intensive Fastenkur eignet sich da sehr gut. Da wir natürlich auch satt werden wollen, bietet sich eine Vielzahl an Gemüsesorten und Salaten an, die in unbegrenzten Mengen gegessen werden können.
Gleichzeitig sollten gute Fette und ausreichend Eiweiß auf dem Speiseplan stehen, was beispielsweise mit einer mediterranen Kost erreicht wird. Als zweites muss auf alles, was die Leber belastet, verzichtet werden: Alkohol, Medikamente und sonstige chemische Stoffe in unseren Industrielebensmitteln. Als drittes gönnen wir uns noch viel Ruhe und Schlaf. Regeneration findet nur in der Entspannung statt. Das kennen wir vom Sport. Die Stresshormone, die unseren Körper belasten, werden dabei abgebaut, und der Stoffwechsel kann gesunden.

Welche Substanzen aus der Natur können die Leber unterstützen?
C. Thiel: Es gibt eine Reihe von natürlichen Substanzen, die die Regeneration der Leber unterstützen:

Probiotika sind sogenannte gute Bakterien, die zu einer gesunden Verdauung beitragen. Ein ungünstiges Darmmilieu führt zu einer Leberbelastung durch giftige Abbauprodukte der Bakterien und damit zur Fettleber. Lebensmittel mit natürlichen Probiotika wie Joghurt, Kefir, Sauerkraut oder sauer vergorenes Gemüse halten hingegen unseren Darm und unsere Leber langfristig gesund.

Ballaststoffe in Gemüse, Salat, Obst oder Vollkornprodukten dienen den “guten” Bakterien als Nahrung und fördern damit unsere Gesundheit. Den Haferballaststoff Beta-Glucan möchte ich ganz besonders hervorheben, weil er positiv auf den Zucker- und Fettstoffwechsel wirkt und das Immunsystem unterstützt.

Olivenöl verbessert den Fettstoffwechsel der Leber und wirkt so leberschützend, beugt also einer Lebererkrankung vor. Bei einer Fettleber wird die Heilung gefördert.

Mariendistel enthält den Wirkstoff Silymarin und wird seit dem Altertum zur Leberentgiftung eingesetzt. Silymarin verhindert das Eindringen von Giften in die Leberzelle, wirkt antioxidativ und entzündungshemmend und verhindert die Vernarbung der Leber. Empfohlen wird eine Menge von 150 bis 350 Milligramm Silymarin täglich.

Artischockenextrakt, Bittermelonenextrakt oder andere Bitterstoffe, etwa aus dem Chicorée regen den Gallenfluss an und unterstützen somit die Leberentgiftung. Sie wirken antioxidativ und entzündungshemmend und regulieren das Immunsystem. Außerdem verbessern sie den Zuckerstoffwechsel und wirken günstig auf den Appetit. Empfohlen werden 400 bis 1200 Milligramm Artischockenextrakt täglich.

Ist Leberfasten mit speziellen Eiweißdrinks sinnvoll?
C.Thiel: Die ursächliche Behandlung einer Fettleber gelingt zuverlässig mit einer speziellen Fastenkur. Studien haben gezeigt, dass eine Kalorienreduktion auf unter 1000 Kilo kalorien täglich bei besonderer Einschränkung der Kohlen hydratmenge den besten Effekt auf die Entfettung der Leber hat. Da es sehr schwierig ist, trotz der geringen Energiemenge ausreichend Nährstoffe wie Eiweiß, Fette, Mineralstoffe und Vitamine zu sich zu nehmen, ist der Einsatz von speziellen Eiweißshakes eine intelligente Option.
Im Vergleich zu einem optimalen Ernährungsplan konnten Untersuchungen sogar zeigen, dass bestimmte Zusatzstoffe in den Shakes, wie Beta-Glucane aus dem Hafer oder Omega-3-Fettsäuren, eine Fastenkur mit einem solchen Mahlzeitenersatz noch erfolgreicher machen. Außerdem brauchen wir in unserer stressigen Zeit ein einfaches Konzept, das leicht im Alltag umgesetzt werden kann, schnell zu einem spürbaren Erfolg führt und langfristig anwendbar ist. Das alles leistet ein hochwertiger Shake.


Vielen Dank für das Gespräch.


(Das Interview führte Christina Wiedemann. Es wurde redaktionell bearbeitet.)

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